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Alt und abgeschoben?

Dieses Thema im Forum 'Menschliches und Familie' wurde von Karin Gentz gestartet, 29 Juni 2003.

  1. Wie wir alt werden
    Von Nitin Desai

    Vergangenes Jahr wurde ich 60 und hatte nicht nur eine, sondern mehrere Geburtstagspartys zu feiern. Die Feiern waren nicht ungewöhnlich. In meinem Kulturkreis ist es eine große Leistung die 60 zu erreichen.

    Weltweit erkennen wir, dass es kein Problem ist länger zu leben, sondern ein Erfolg.

    Dazu müssen wir aber auch einige Einstellungen ändern. Mancherorts werden ältere Menschen verehrt und beschützt, anderswo wird auf sie herabgeschaut, sie werden irgendwo abgeschoben, nicht beachtet und missbraucht - körperlich, psychisch und finanziell.

    Künftig wird es kaum mehr gehen, ältere Menschen auszugrenzen. Denn nach Angaben von Bevölkerungswissenschaftlern der Vereinten Nationen soll es in 50 Jahren zum ersten Mal in der Geschichte mehr Menschen über 60 als Kinder unter 15 Jahren geben. Zurzeit sind 10 Prozent der Weltbevölkerung 60 Jahre und älter. Im Jahr 2050 werden es 50 Prozent sein. Die Zahl der Menschen über 80 wird sich verfünffachen.

    Wissenschaftler der UN haben die Auswirkungen dieser Entwicklung in unterschiedlichem Umfeld und verschiedenen Regionen und wirtschaftlichen Situationen verfolgt und analysiert. In besser entwickelten Regionen gibt es bereits mehr ältere Menschen als junge. Obwohl die Menschen in der industrialisierten Welt immer älter werden, entstehen durch den demographischen Wandel ständig neue Herausforderungen an das Renten- und das Gesundheitssystem. In den Entwicklungsländern altert die Bevölkerung schneller. Hier wird sich die Zahl der älteren Menschen in den nächsten 50 Jahren vervierfachen. Diese Länder werden größere Beeinträchtigungen ihrer Ressourcen erfahren müssen, da sie gleichzeitig mit den Herausforderungen der Entwicklung und des Alterns der Bevölkerung fertig werden müssen. Es ist klar, dass die demographische Revolution in reichen wie in armen Ländern alle Aspekte des täglichen Lebens beeinflussen und jeden Mann, jede Frau und jedes Kind betreffen wird.

    Die Vereinten Nationen haben auf diese Revolution vor allem während des Internationalen Jahrs der Senioren 1999 aufmerksam gemacht. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Schaffung einer „Gesellschaft für alle Altersschichten“ - einer Gesellschaft, in der Einstellung, Politik und Praxis in allen Bereichen ein älter werden in Sicherheit und Würde ermöglichen soll. Ältere Menschen sollen als Bürger mit vollen Rechten innerhalb ihrer Gemeinschaft leben können und dazu sowohl beitragen als auch davon profitieren.

    Die zweite Weltversammlung zu Fragen des Alterns, die in Madrid beginnt, soll dieses Vorhaben einen Schritt voran bringen. Bei der Weltversammlung sollen die teilnehmenden Länder den internationalen Aktionsplan 2002 verabschieden. Dieser Plan ist rechtlich nicht bindend, wird den Verantwortlichen aber Orientierung geben, welche Veränderungen nötig sind, um die „Gesellschaft für alle Altersschichten“ zu verwirklichen. Der Plan geht davon aus, dass der weltweite Trend des steigenden Lebensalters eine historische Errungenschaft ist. Dies muss auch in der Art, wie unsere Volkswirtschaften geführt und wie unsere Gesellschaftssysteme organisiert werden, seinen entsprechenden Niederschlag finden.

    Der Plan deckt eine breite Palette von Politikansätzen ab. Dabei geht es oft um den Schutz der Rechte älterer Menschen und um Maßnahmen gegen all die Dinge, die ältere Menschen diskriminieren oder ausschließen. In der Arbeitswelt können dies Ansätze sein, die die Arbeitsfähigkeit erweitern, also Jobsharing, flexible Arbeitszeiten oder Altersteilzeit, unter Erhalt bereits erworbener Rentenansprüche.

    Sicheres Altern und der Kampf gegen Altersarmut sind die dringendsten Aufgaben. Ältere Menschen benötigen ausreichende Einkommen oder Renten. Besondere Aufmerksamkeit muss älteren Frauen entgegengebracht werden, die die Mehrzahl der Alten ausmachen. Oft haben sie wegen ihrer niedrigen Einkommen und Unterbrechungen im Arbeitsleben keinen ausreichenden Rentenanspruch. Sie können auch Opfer von Traditionen geworden sein, die ihre beruflichen Fortschritte verhindert haben. Programme zur Armutsbekämpfung müssen den Bedürfnissen älterer Menschen in ländlichen Regionen Rechnung tragen, wo heute die meisten Senioren in Entwicklungsländern leben. Die Bedürfnisse älterer Menschen, die alleine oder mit Behinderungen leben, müssen ebenfalls angesprochen werden.

    Der Plan geht auch auf die Gesundheitsfürsorge ein, nicht allein für ältere Menschen, sondern als lebenslange Aufgabe, die dazu führt, dass ältere Menschen gesünder sind. Überall auf der Welt muss die Ausbildung der Pflegekräfte verbessert werden. Bessere Fortbildung im Bereich der Altersfürsorge ist notwendig, um mit der demographischen Revolution Schritt zu halten, ebenso wichtig ist der technologische Fortschritt in diesem Bereich.

    Zu den wichtigsten Zielen gehört es, Mittel und Wege zu finden, um das Potenzial älterer Menschen für die weitere gesellschaftliche Entwicklung zu nutzen. Dazu bedarf es einer anhaltenden Integration älterer Menschen, aber auch Initiativen zur Förderung des gegenseitigen Austauschs zwischen den Generationen.

    Ein chinesisches Sprichwort sagt: Es zählt nicht, wie alt du bist, sondern wie du als Alter bist. Für die ganze Welt, wie auch für jeden einzelnen ist es wirklich wichtig, wie wir alt werden.

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    Der Autor ist Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten.



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